An die Bürger und Einwohner Berlin’s.|
Wozu dienen und wozu führen die Katzen-Musiken?|
Seit 8 Tagen hat das früher hier fremde Wesen der Katzenmusiken sich Eingang|
verschafft. Es ist eben so auffallend als traurig, daß mit dem Eintreffen der Volksvertre-|
ter dieser Moment eingetreten ist, da hierdurch nicht nur ihnen ein unerwartetes und|
unerfreuliches Bild der hiesigen Zustände sich darbieten muß, sondern man auch in den|
Provinzen leicht und natürlich zu dem Glauben veranlaßt werden kann, daß dies Zusam-|
mentreffen kein bloß zufälliges. |
Indem die Lebensfragen unseres Vaterlandes zur Berathung kommen sollen, muß|
die Heiligkeit derselben, Jeden, der es redlich und ernst meint mit dem großen Werke, ge-|
bieterisch auffordern, nach allen Kräften und Seiten beizutragen, daß die Hauptstadt des Lan-|
des, der Sitz der Volksvertretung, am wenigsten in dieser Zeit und während der Gesetz-|
berathungen entwürdigt werde durch Tumulte und Excesse, beunruhigt durch Demonstra-|
tionen und Aufläufe, oder durch Anwendung der Gewalt gegen Gesetzwidriges. —|
Die Katzenmusiken (Charivari’s) können wichtig sein, wenn sie offen ausgehen von|
denen, welche einen unbestreitbaren Einfluß üben auf das Volk, und dessen Stimme mehr|
oder minder aussprechen, und wenn sie gerichtet sind gegen die, denen allgemeine und|
verdiente politische Mißbilligung gebührt; — sie werden lächerlich und verächtlich, wenn|
sie wegen kleinlicher, persönlicher Gründe von unreifen Knaben und vom Pöbel (in dem wah-|
ren Sinne dieses Wortes) ausgehen; — sie werden strafbar und verbrecherisch, wenn|
sie, erzeugt von den Motiven des Umsturzes und der Volksverführung — sei es im re-|
actionairen sei es im anarchischen Sinne — von Böswilligen geleitet, das Gesetz, die|
Verfassung, die Regierung und deren gesetzliche Organe unwürdig angreifen und be-|
schimpfen, das Band der Ordnung lösen, das gegenseitige Vertrauen untergraben, Personen|
und Eigenthum gefährden, und dadurch unberechenbare Conflicte herbeizuführen drohen zwischen|
Bürgern und Einwohnern und ihren, als Bürgerwehr zum Schutze der Gesetze berufenen,|
und mit den höchsten Opfern wirkenden natürlichen Vertretern. —|
Niemand hat daran gedacht die in jüngster Zeit erfolgten Demonstrationen zu hindern;|
Niemand würde also auch auf Katzenmusiken einen solchen Werth gelegt haben, um sie|
zu hemmen, wenn die natürliche Annahme sich bethätigt hätte, daß dies eben nur Knaben-|
Vergnügungen seien, welche, durch Neugierige begleitet, einigemale stattfinden, und dann,|
wie alles Neue, eben so schnell wieder vergessen werden.|
Es ist aber anders gekommen.|
Es fängt dies Gebahren an, sich einzunisten, und solches Einnisten, in dessen Ge-|
folge Unfug und Blutvergießen droht, kann und darf gewiß von Niemand geduldet|
werden. —|
Laßt uns bedenken, daß wir Alles vermeiden und verhindern müssen, was Gesetze|
oder Verordnungen hervorrufen kann oder muß, welche das erst errungene, jetzt eben ge-|
setzlich für alle Zeit festzustellende, große und wichtige Recht der friedlichen Volks-As-|
sociationen verkümmern könnte; — laßt uns bedenken, daß wir um elender, kleinlicher|
Gründe willen unbedeutenden Personen gleichsam eine Ehre dadurch erzeigen lassen, wenn|
sie ähnliche Demonstrationen mit den höchsten Organen der Regierung erfahren; — laßt|
uns bedenken, daß nicht sowohl eben der Regierung und ihren Organen, son-|
dern dem gesammten Volke, der Stadt[,] den einzelnen Vereinen und Clubbs, —|
welcher politischen Meinung sie auch immer angehören mögen, — die größte Gefahr aus die-|
sen Demonstrationen erwachsen kann, wenn dagegen eingeschritten werden muß; —|
laßt uns bedenken, daß wir, wenn wir sie unterstützen oder dulden, muthwillig der Re-|
action und der Anarchie in die Hände arbeiten; — laßt uns bedenken, daß wir Bür-|
ger gegen Bürger aufregen und bewaffnen, daß wir die der Bürgerwehr zu unserm Schutze|
anvertraute Waffe gegen uns selbst wenden; — laßt uns vor Allem bedenken, daß ganz|
Europa auf Berlin blickt, und von dort Großes erwartet, während solche Dinge unend-|
lich kleinlich aber eben so wenig würdig erscheinen müssen; laßt uns endlich die Vertreter|
des Volkes, welche berechtigt sind, unverkümmerte Gastfreundschaft und ungestörte|
Thätigkeit vertrauensvoll in unsern Mauern zu finden, durch die That überzeugen, daß|
wir fähig sind, ihnen dies zu gewähren, auf daß sie nicht gezwungen werden mögen, nach|
dem Beispiele der freiesten constitutionellen Staaten, ihre erste Verordnung gegen|
Volks-Associationen während ihrer Berathungen zu richten!! —|
Mit Einem Worte:|
Dulde Keiner, der es redlich meint mit|
dem Vaterlande und der Stadt und ihren|
Einwohnern, noch länger den gefährlich|
werdenden Unfug von Demonstrationen|
und Katzen-Musiken, namentlich während|
der Dauer der Berathung der Volksver-|
treter! Jeder wirke kräftig und friedlich|
dahin, daß sie aufhören, ohne daß sie erst|
durch Gesetze und deren Mittel verbannt|
werden müssen!!!|
Ein vollkommen Unbetheiligter für Viele.|
Schnellpressendruck von Ferdinand Reichardt u. Co., Spandauer Straße 49.